Die Pandemie und ihre möglichen psychischen Folgen

Kinder sind vulnerabel, verletzlich, ohnmächtig, oft grenzenlos vertrauend. Kinder kommen mit einem Urvertrauen in die Welt auf die Welt.  Im Laufe der Zeit kommt es darauf an, was diesen Kindern begegnet, ob das Vertrauen bestätigt oder enttäuscht wird. Aus Vertrauen kann Enttäuschung werden, Misstrauen, Angst, Sorge, und im schlimmsten Fall können Kinder etwas erleben, das sie traumatisiert, sei es durch Gewalt, Flucht oder jetzt durch die Auswirkungen der Pandemie.

Photo: © RyanKing999 via Canva.com

Welche Situationen können zu traumatischen Erlebnissen führen?

Aufgrund der Pandemie gibt es eine ganze Anzahl von Situationen, die Traumata bedingen können wie beispielsweise Existenzängste beziehungsweise, reale, existenzbedrohende Erlebnisse von Familien, erfahrene Gewalt durch verschiedenste Auslöser, Gelegenheit, weniger Schutzräume und weniger Kontakt von Kindern zur Außenwelt, allgemeine Verunsicherung und Angst - oder sogar durch den Tod eines geliebten Menschen – vielleicht sogar auf einer Corona-Intensivstation.

Wie fühlen sich Menschen, die traumatische Situationen erleben mussten?

Dieser Frage bin ich in meinem Bilderbuch „Rotkäppchen, wie geht es dir? nachgegangen. Märchenfiguren erleben sehr oft traumatische Erlebnisse. Die Großmutter wird gefressen, der Wolf stirbt und Schneewittchen überlebt nur knapp. Am Ende heißt es dann immer: Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.  Und genauso, wie im Märchen der Frage nicht nachgegangen wird, WIE sie weitergelebt haben, wird diese Frage auch heute oft nicht gestellt bzw. es wird zu wenig unternommen, WEIL man sich die Frage nicht stellt.

Dabei ist es einerseits wichtig, hinzusehen, zu verstehen, anzuerkennen. Und andererseits ist es genauso wichtig aufzuzeigen, was helfen kann, damit Kinder und Erwachsene nach traumatischen Erlebnissen wieder neugierig und vertrauensvoll in die Welt hinaus gehen können. 

Während der Umsetzung dieses Buches habe ich mich intensiv mit dem Thema „Trauma, Traumafolgen, Therapie und Vertrauen/Bindung“ beschäftigt und möchte nachfolgend einige Aspekte beleuchten.

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Was passiert bei traumatischen Erlebnissen in unserem Gehirn?

Wenn Erwachsene und Kinder traumatische Dinge erleben, dann werden in der Amygdala, einem sehr alten Teil unseres Gehirns, so etwas wie Reflexe aktiviert. Wie, wenn der Arzt auf unser Knie schlägt und es dann ganz automatisch reagiert. So reagiert auch unser Gehirn auf Bedrohungen, in dem es nur drei Möglichkeiten sieht: zu kämpfen, zu flüchten oder zu erstarren.

Flüchten funktioniert heute nur bedingt, da eine Pandemie weltumfassend ist.  Wir werden trotzdem überall den den Auswirkungen der Pandemie begegnen. Zu kämpfen ist eine Möglichkeit, was viele sicher tun. Die nächste ist die, zu erstarren, sich die Hände vor die Augen zu halten und zu hoffen, dass alles bald vorbei sein wird und alles wieder gut ist.

Welche Folgen haben traumatische Erlebnisse?

Stellen wir uns einmal vor, die Pandemie ist irgendwann einmal zu Ende und alles scheint wieder gut.  Vielleicht an der Oberfläche, aber es gibt Kinder und Erwachsene, die in dieser Zeit schlimme Dinge erlebt haben. Manche werden sich ihr Leben lang daran erinnern. Andere wählen unbewusst den Weg des Unbewussten. 

Sie sind wie eine Muschel, in die sich ein Sandkorn eingenistet hat. Nach und nach legt sich Schicht um Schicht um das Sandkorn, bis es zu einer großen Perle wird. Dass irgendwann einmal eine Verletzung dafür verantwortlich war, ist längst vergessen. Kinder und Erwachsene, denen es so ging, fühlen sich vermutlich nie als wertvolle Perle, sondern eher als das Gegenteil.  Oder als Muschel, und machen dicht.  Und sie fragen sich, warum sie nur so sind.  Sie spüren intuitiv, dass etwas mit ihnen gefühlt „nicht stimmt“, dass es dafür einen Grund geben muss. Und so machen sie sich auf die Suche, die oft sehr langwierig, mit vielen Umwegen und Abbrüchen verbunden und sehr schmerzhaft sein kann.

Was brauchen Menschen nach einem traumatisierenden Erlebnis?

Kinder und Erwachsene, die eine traumatische Erfahrung gemacht haben, müssen vor allem wieder Vertrauen lernen. Sehr langsam. Schritt für Schritt. Sie brauchen liebevolle Begleiter, wie den Bären in „Rotkäppchen, wie geht es dir?“, die nicht von ihrer Seite weichen und ihnen zeigen, dass sie wertvoll und liebenswert sind, auch wenn sie selbst das oft nicht mehr von sich glauben.  Die ihnen zeigen, dass sie nichts „wollen“, außer vielleicht etwas „geben“ zu wollen und einfach nur da sind, als verlässliche Begleiter.

Außerdem brauchen Betroffene Information und Verständnis. Information darüber, warum es ihnen so geht, wie es ihnen gerade geht, welche Auswirkungen diese Erlebnisse auf sie hatten und haben, kompetente Hilfe und Unterstützung und vielleicht auch den Austausch mit anderen, denen es ganz genauso erging wie ihnen.

Und Betroffene brauchen Anerkennung: Anerkennung dessen, was war. Dass ein Trauma Menschen massiv sowohl psychisch wie auch körperlich belastet. Und es seine Zeit braucht.

Unter welchen Symptomen können Menschen nach traumatischen Erlebnissen leiden?

Kinder und Erwachsene, die traumatische Dinge erlebt haben, leiden meist unter einer Vielzahl an Beeinträchtigungen, von Angst, Vertrauensverlust, Bindungsstörungen, Depressionen bis hin zu diffusen Symptomen, die sie und auch andere schlecht einordnen können. Hinzu kommt, dass es ein Unterschied ist, um welches traumatische Erlebnis es sich handelt. Um Krieg, Gewalt, Tod oder sexualisierte Gewalt. Wie lange es andauerte. Wie alt ein Kind ist, wenn es das Trauma erlebt. Durch wen die Gewalt erfahren wurde. Und auch, wie nah die Menschen einander standen bzw. stehen.

Wo finde ich nach einem traumatischen Erlebnis Hilfe?

Wenn Menschen traumatische Dinge erlebt haben, ist es wichtig, sich Hilfe zu holen, darüber zu sprechen und gemeinsam mit Experten zu überlegen, was ihnen helfen könnte, ihre Beschwerden zu lindern und Strategien zu entwickeln, wie sie die Perle in sich „wieder“ entdecken können und nach vorne zu blicken.

Unten habe ich Ihnen einige Links zusammengestellt, die für ganz unterschiedliche Situationen gedacht sind. 

Informationen des Bundesministerium für Familie 

Hilfseinrichtungen der SOS-Kinderdörfer

Sexueller Missbrauch

Projekt "Trau dich!"

Internetseite des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Missbrauchs
(Zentrales Portal der Bundesregierung zum Thema sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche)

Hilfe-Portal Missbrauch

Missbrauch im kirchlichen Kontext

Allgemeine Information / Weiterbildung:

Auditorium Netzwerk

Verbände

Deutschsprachige Gesellschaft für Psychotraumatologie (DEGPT)

Fachverband Traumapädagogik

Deutsches Institut für Psychotraumatologie

Gesellschaft für Psychotraumatologie

Therapiemöglichkeiten

Europäische Gesellschaft für Traumatologie

EMDRIA

Somatic Experiencing 

Wo fange ich an?

Vielleicht fragen Sie sich, wo Sie anfangen sollen oder wie Sie Ihrem Kind aktuell helfen können?  Gute erste Ansprechpartner sind immer die eigenen Ärzte, Ihr Allgemeinarzt oder Ihr Frauenarzt, der gemeinsam mit Ihnen überlegen kann, wo Sie weitere Hilfe finden können, oder ein Psychotherapeut/Psychologe/Psychiater. Sobald der erste Schritt getan ist, sind die nächsten oft schon viel leichter.

So ging es auch Rotkäppchen in dem Buch: „Rotkäppchen, wie geht es dir?“ Mehr dazu finden Sie hier. 

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